Männerschmuck oder Kulturstrick von gestern

Allgäuer Zeitung,Oberallgäu, 28.02.2019

Mode: Am Gumpigen Donnerstag gehen Frauen mit Scheren auf Krawatten los. Der Schlips wird aber selten getragen

Oberallgäu Wenn morgen, am Gumpigen Donnerstag, Frauen mit Scheren Krawatten jagen, gehen sie bei der Allgäuer Volksbank womöglich leer aus. Denn die ist eine krawattenlose Bank. Den Status riefen die Chefs Mitte 2018 aus. Nicht etwa wegen des heißen Super-Sommers, sondern aus grundsätzlicher Überlegung: "Immer öfter wird der Schlips als veraltetes Symbol für Seriosität empfunden, das mehr Distanz als Vertrauen schafft."

Zu dem Accessoire gibt es viele Betrachtungen: etwa die Weiberfasnacht, in der Frauen die Krawatte als Symbol männlicher Macht abschneiden. Der Besuch beim Scherenschleifer erspart den "Opfern" ein Gezerre an der Krawatte und ein Gewürge am Hals. Das Brauchtum, für das Mann mit einem Küsschen entschädigt wird, besteht seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Wenn man jedoch einem Anti-Narren sein Designertuch abschnippelt, kann das auch mächtig Ärger bringen.

Komiker Otto Waalkes schreibt im Buch "Kleinhirn an alle" über einen seiner großen Kollegen: "Heinz Erhardt trat stets wie ein biederer Bankangestellter im korrekten Anzug mit Krawatte auf." Ob Bankern der Vergleich mit einem tollpatschig wirkenden Humoristen gefällt?

Die Allgäuer Volksbank verabschiedete sich nicht deshalb von der Krawatte, sondern um ihren "Kunden mit Nähe und auf Augenhöhe zu begegnen". Eine Entscheidung, die Vorstand Klaus Peter Wildburger nicht bereut: Negative Rückmeldungen habe er nicht erhalten. Man könne sich ja auch ohne Krawatte geschäftsmäßig kleiden: Mit Hemd, Sakko und Hose, sagt Wildburger. Solange es keine Jeans und kein Polohemd sind ...

Wildburger ist klar, dass mancher Kunde sich seinen Bankberater vielleicht weiterhin mit einem Schlips vorstellt. Sind die Mitarbeiter überzeugt, dass bei einem Treffen eine Krawatte nötig ist, wird eben eine umgebunden. Man sehe indes auch bei Tagungen und Seminaren, dass die Bedeutung der Krawatte langsam bröselt, sagt er.

Welchen Wandel die Krawatte über die Jahrzehnte machte, vermittelt ein Streifzug durch einige Jahrgänge des Duden. Vor 120 Jahren stand besagter Begriff dort nur als Bezeichnung von Halsbinden. 1934 liest man mehr: die "Krawatte" als verbotener drosselnder Halsgriff im Ringkampf. Und der "Krawattenmacher" als Bezeichnung eines Wucherers, also eines Halsabschneiders. Der Begriff ist später nicht mehr zu finden, dafür aber die Krawattennadel. 1991 findet sich auch der Krawattenzwang - und 2013 der Krawattenmuffel.

Dazu zählt Herrenausstatter Klaus Felbinger (Immenstadt) sicher nicht, doch selbst er trägt im Alltag keine Krawatte. Felbinger sagt: "Die Kunst ist, den richtigen Stilmix zu finden und dann Krawatte zu tragen, wenn es der Anlass erfordert." Er ist überzeugt: "Die Krawatte ist der Schmuck für den Mann." Wenn sich die Partnerin für einen Anlass hübsch anziehe, mit was wolle man dann vor ihr stehen, fragt Felbinger. Seine Antwort: "In dem Fall sind wir ohne Krawatte nackt."

Frauen, die Donnerstag mit Schere auf die Jagd gehen, müssen gut überlegen, wo sie Beute finden. Beim Herrenausstatter besser nicht, denn dessen Stücke sind zu hochwertig. Aber vielleicht tragen ja einige Volksbanker ausnahmsweise Krawatte - für den lustigen Zweck.

Daher kommt´s

  • Der Blick in den Duden offenbart vieles über die Herkunft der Krawatte. Der Duden von 1898 erklärt sie als Halsbinde, als ein aus dem französischen stammendes Wort und "angeblich nach den Kroaten benannt." In der Ausgabe von 1902 fehlt das Wort "angeblich" dann schon.
  • Das Duden-Herkunftswörterbuch (1989) gibt präziser Einblick: Der Ursprung der Krawatte findet sich demnach Ende des 17. Jahrhunderts - beim slawischen Volksstamm der Kroaten. Deren Reiter trugen damals charakteristische Halsbinden, wodurch sie zum Namensgeber wurden.