Bankgeschäfte in der Barbierstube

Allgäuer Zeitung, 2. Mai 2020

Jubiläum - Allgäuer Volksbank blickt auf die Anfänge vor 150 Jahren zurück  

Kempten Am 6. Januar 1870 gründeten 22 Kemptener Bürger die "Spar- und Vorschussverein eGmuH" für Handwerk, Kleingewerbe und den örtlichen Handel. Aus diesem Vorschussverein entwickelte sich in der Folgezeit die heutige Allgäuer Volksbank eG Kempten-Sonthofen. Eigentlich wollten die Mitarbeiter das Jubiläum mit ihren Kunden feiern, doch die Coronakrise legte alle Aktivitäten zunächst auf Eis.

Der Spar- und Vorschussverein hatte sich 1877 das wirtschaftliche Ziel gesetzt, Genossenschaftsvermögen anzusammeln und den Mitgliedern daraus im Notfall verzinsliche Vorschüsse zu gewähren. Der Vereinsdiener holte damals die Spareinlagen noch zu Hause ab. Sparguthaben wurden mit drei Prozent verzinst. Darlehen wurden immer auf ein Vierteljahr gegeben und mit vier Prozent verzinst. Eine Verlängerung der Darlehensdauer war von Vierteljahr zu Vierteljahr möglich.

Von 1885 bis 1911 wurde der Geldverkehr vom Vereinskassier übernommen. Das war Norbert Winkle, Bader am Rathausplatz. Die Geschäfte wurden in der Barbierstube getätigt, der Kassenschrank stand im Nebenraum. Aufgrund des umständlichen Systems bei der Kreditvergabe wurde im März 1911 eine Kommission zur Vorbereitung eines bankmäßigen Betriebes eingesetzt.

Die beiden Vorstände Klaus-Peter Wildburger und Donat Asbach hatten statt einer Chronik einen Kalender für ihre Mitglieder aufgelegt. Stolz sind sie auf ihre denkmalgeschützte Zentrale. "Am 1. Oktober 1916 öffnete der Spar- und Vorschussverein das Patrizierhaus am Rathausplatz", sagt Wildburger. Die Südfassade wurde 1928 erneuert.

Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude unbeschadet. Als ehemaliger Wohnsitz bedeutender Patriziergeschlechter, Adelsherren und regierender Bürgermeister der Freien Reichsstadt Kempten stellte das "Jenisch-Ponikau-Haus" ein Stück Stadtgeschichte dar.

Während der Inflationsjahre wurden auch in Kempten Ersparnisse und Kapitalien vernichtet. Die Bank wies 1923 eine Bilanzsumme von 120364710427456776,15 Mark aus, das sind 120 Billiarden Mark. Im Folgejahr lautete die Eröffnungsbilanz auf 159577,58 Goldmark.

Das Bankgebäude in Sonthofen wurde 1945 durch alliierte Fliegerbomben komplett zerstört und erst drei Jahre später wieder aufgebaut. 1955 wurde aus der 1889 gegründeten Genossenschaftsbank Sonthofen schließlich die Allgäuer Volksbank. Die Genossenschaft in Kempten änderte ihren Namen 1962 in Volksbank Kempten. 1971 fusionierten die beiden Häuser. 2009 wurde die Allgäuer Volksbank Stiftung gegründet.  

Seit 1916 ist die Allgäuer Volksbank im Ponikauhaus am Rathausplatz zu Hause. Jetzt feiert sie ihr 150-jähriges Bestehen. Foto: Ralf Lienert