Finanzen - Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken rechnen damit, dass die Wirtschaft sich nach der Corona-Krise schnell erholt. An die oft prophezeite Pleitewelle nach der Pandemie glauben sie nicht.
Genossenschaften erwarten keinen Sturm
München Der ökonomische Ausblick für das kommende Jahr könnte deutlich positiver sein als erwartet. Das glauben zumindest die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken. Auf ihrer Bilanzpressekonferenz in München prognostizierten sie, dass durch Corona keine bleibenden Schäden in der Volkswirtschaft auftreten werden. "Die viel heraufbeschworene Insolvenzwelle ist bisher nicht erkennbar", sagte Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), des Dachverbands der Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat. Massenhafte Kreditausfälle seien bis dato ausgeblieben und seien auch im weiteren Verlauf des Jahres nicht zu erwarten.
Im Zuge der Corona-Maßnahmen hatte die Bundesregierung die Anzeigepflicht für Unternehmensinsolvenzen zeitweise aufgehoben. Viele rechnen damit, dass Firmen, die eigentlich pleite sein sollten, ihre Insolvenz aufschieben. Nach der Wiedereinführung der Anzeigepflicht würden diese Unternehmen dann alle gleichzeitig insolvent gehen. Stichtag für die Sonderregel ist im Moment Ende April. Allerdings sei die positive Prognose der GVB mit "erheblichen" Unsicherheiten behaftet. Dennoch seien die Risiken für die Genossenschaften beherrschbar: "Branchen, die besonders unter den Lockdown-Maßnahmen leiden, gehören nur in geringem Maße zu unseren Kreditnehmern", erklärte Gros.
Ein Ärgernis für Sparer bleibt wohl bestehen: Negativzinsen. Diese sind laut Gros bei 80 Prozent seiner Mitgliedsbanken für Geschäftskunden und bei 40 Prozent für Privatkunden "im Tableau". Fällig würden sie allerdings nur bei neu eingezahlten hohen Einlagen und lägen meist um die 0,5 Prozent. Klar sei aber auch: "Wer nur Geld bei uns anlegt, den heißen wir nicht am wärmsten willkommen. Wir wollen eine Geschäftsbeziehung mit dem Kunden aufbauen", sagte Gros. Das äußert sich auch bei der Aktienquote der Raiffeisen-Kunden, die um 14 Prozent gestiegen ist.
Mit der anziehenden Inflation werden auch die Folgen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank noch deutlicher zu spüren sein: Zinsen, die technisch gesehen positiv sind, aber niedriger als die Inflation. Mit höheren Zinsen ist vorerst allerdings nicht zu rechnen: "Das niedrige Zinsniveau bleibt bestehen", prognostizierte Gros.
Die Corona-Krise sei ein "realer Stresstest" für die Volks- und Raiffeisenbanken gewesen. Diesen habe man aber bestanden. Unter dem Strich steht ein bereinigter Gewinn von rund 1,48 Milliarden, das sind neun Millionen Euro weniger als 2019. Die Bilanzsumme liegt mit 190,7 Milliarden Euro um 8,5 Prozent höher als im Vorjahr. Die Kernkapitalquote liegt weiterhin bei relativ hohen 15 Prozent.
Im Seuchenjahr ist auch das Kreditgeschäft deutlich gewachsen: Insgesamt haben die Raiffeisenbanken 2020 Kredite im Wert von über 117,1 Milliarden Euro ausgegeben, ein Anstieg um 6,8 Prozent. So groß war das Kreditgeschäft der Genossenschaftsbanken seit 20 Jahren nicht mehr. 48,5 Milliarden davon entfielen auf Privatkunden, 61,9 Milliarden auf Unternehmen. Der größte Treiber des Wachstums waren aber Immobilien. "Die Baubranche zeigt sich von Corona unbeeindruckt", fasste Gros zusammen. Die Investitionen dort scheinen sogar gestiegen zu sein, denn das Kreditvolumen der Volks- und Raiffeisenbanken erhöhte sich um knapp neun Prozent auf 66,2 Milliarden Euro. Mehr, als insgesamt an Unternehmen verliehen wurde also. Deutlich problematischer sieht Gros die Entwicklung der Kundengelder. Dort sei ein "schmerzhafter Anstieg" zu verzeichnen gewesen. Die Mitglieder des GVB mussten im Jahr 2020 Zinsen auf 145,5 Milliarden Euro, die Kunden bei ihnen angelegt hatten, zahlen. Sowohl Firmen- als auch Privatkunden haben ihre Einlagen trotz der wirtschaftlichen Situation erhöht. Der Verband führt das auf eine höhere Sparquote durch wirtschaftliche Unsicherheit und eingeschränkte Konsummöglichkeiten zurück. Zudem haben laut Gros viele Unternehmen ihre Corona-Hilfen und -Kredite noch gar nicht angerührt, sodass sie diesen Wert nach oben treiben.
Zudem forderte Gros eine konsequentere Strafverfolgung von Geldwäsche. Die zuständige Behörde, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FTU), sei überfordert, weil sie zu viele Meldungen erhalte: "Anstatt regulatorisch immer mehr draufzusatteln, sollten geltende Gesetze wirksam angewandt werden", forderte Gros. Zudem müsse man auch Bereiche außerhalb des Finanzsektors in den Blick nehmen, denn "ständig neue bürokratische Vorgaben für Banken sind nicht zielführend", so Gros.