Wenn Kunden Minuszinsen zahlen müssen

Vermögen - Überschreiten die Ersparnisse gewisse Freibeträge, verlangen etliche Banken ein Verwahrentgelt. Ein Argument dabei: Die sichere Aufbewahrung von Geld sei auch eine Dienstleistung. So sieht es in der Region aus.

Kempten/OberaIlgäu - Mancher wäre schon froh, er hätte 400.000 Euro auf dem Konto. Ein Senior aus Kempten schimpft über seine Bank, weil die ihm trotz 40-jähriger Kundenbeziehung ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent androhe. Minuszins ist ein anderes Wort dafür. Den verlangen immer mehr Banken, falls bei ihnen deponiertes Geld Freibeträge überschreitet. Hintergrund: Auch die Banken selbst zahlen Minuszinsen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken.

Der eingangs geschilderte Fall spielt bei der Sparkasse Allgäu. Er habe das Geld dort „abgelegt", sagt der Senior und findet es nicht rechtens, von Altkunden Minuszinsen verlangen zu wollen. Er fühlt sich unter Druck gesetzt, wolle aber keine neuen Verträge unterschreiben und auch die Bank nicht wechseln.

Die Sparkasse richte sich gern auf die jeweilige persönliche Situation aus, doch Kunden müssten sich auch zum Gespräch an den Tisch setzen, sagt der Vize-Vorstandsvorsitzende Heribert Schwarz. Schwarz bestätigt, dass man aus heutiger juristischer Sicht bei Bestandskunden ohne neue Vereinbarung kein Verwahrentgelt berechnen könne. Frage sei andernfalls allerdings, ob und wie der gemeinsame Weg für die Zukunft aussehen könne.
Die Sparkasse räumt einem Einzelkunden beim Verwahrentgelt 100.000 Euro Freibetrag ein, 200.000 Euro bei Partnern. Betroffene Kunden werden ausführlich zu Alternativen beraten. Dann treffe man eine individuelle Vereinbarung, die im Einzelfall bis zu 0,5 Prozent Verwahrentgelt führen kann. Es müssten aber weniger als zwei Prozent der Firmen-, Kommunal- und Privatkunden ein solches Entgelt zahlen.

Die sichere Verwahrung von Einlagen sei eine Dienstleistung, für die ein Entgelt (0,5 Prozent) anfallen kann, heißt es in der Commerzbank. Sie vereinbart mit Neukunden bis zu 100.000 Euro Freibetrag. Bei Bestandskunden werde das Entgelt individuell vereinbart. „Wir haben aktuell nicht vor, Verwahrentgelte an die große Mehrheit unserer Privatkunden weiterzugeben", sagt Filialdirektor Wolfgang Wöhnl. Primäres Ziel seien Beratung und Umschichtung in andere Anlageformen.

Auch die Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu erhebt ein Verwahrentgelt (0,5 Prozent, 100.000 Euro Freibetrag pro Person). Ebenso die Allgäuer Volksbank. Bei der Volksbank müssen „deutlich" unter zehn Prozent der Kunden Verwahrentgelte berappen. Raiba und Commerzbank machen zur Zahl keine Angaben. Kein Verwahrentgelt erhebt die Hypovereinsbank, beobachtet aber „die Markt- und Wettbewerbslage fortlaufend". Auch die Sparda-Bank berechnet keine Negativzinsen. „Die anhaltende Niedrigzinspolitik veranlasst uns jedoch, die weiteren Entwicklungen kritisch zu beobachten und unsere Haltung zu prüfen. "

 

Bei den Zinsen bleibt es mau

Und wie geht es mit den Zinsen weiter? Die Raiffeisenbank erwartet eine Seitwärtsentwicklung ohne bemerkenswerte Änderung. Ähnlich die Volksbank bei der Prognose der kurzfristigen Zinsen, die die Höhe des Verwahrentgelts beeinflussen.
Im Bereich der längerfristigen Zinsen sehe man eine leichte Aufwärtsbewegung, die sich bis zum Jahresende moderat fortsetzen könnte. Ein starker Anstieg werde jedoch nicht erwartet, sagt dazu die Sparkasse. Die Hypovereinsbank stellt sich „auf weitere Jahre niedriger Zinsen ein" und erwartet heuer einen Anstieg der Inflationsrate auf etwas über zwei Prozent. Die Commerzbank geht davon aus, dass die EZB in den nächsten fünf Jahren keine Zinserhöhung vornimmt. Reine Geldvermögen kämen also verstärkt unter Druck: Die Geldentwertung durch Inflation steige, andererseits gebe es keine Zinserträge mehr.

"Nicht alle Eier in einen Korb legen"
Finanzen  - Das raten Banker bei Geldanlage, Sparen und Altersvorsorge: Vermögen streuen und beraten lassen. Aktien lassen sich auch mit kleinen regelmäßigen Beträgen kaufen. Als wichtig gilt zudem eine Notfallreserve.

Kempten Die Pandemie hat viele Menschen in finanzielle Not gebracht, während andere mehr Geld auf die Seite legen. Die einen wollen Vorsorge treffen, andere geben vielleicht nur wegen geschlossener Restaurants und Geschäfte weniger aus.
Nun steigt die Inflation — das Geld verliert an Wert. Die AZ fragte Banker: „Zu welchem Kurs raten Sie aktuell in Sachen Geldanlage, Sparen und Altersvorsorge?"

  • Commerzbank Kempten: „Wir raten dazu, freie liquide Mittel in — aber Sachwerte zu investieren nachhaltig, sagt Filialdirektor Wolfgang Wöhnl. Er meint damit Aktien, ausgewählte Rohstoffe, Immobilien und erneuerbare Energien.
    Egal, ob der Kunde Wert auf Flexibilität lege, durch einen Anlage-Mix Renditepotenziale erschließen oder solide für seinen späteren Lebensstandard vorsorgen wolle — gemeinsam finde man eine Lösung, die exakt zur persönlichen Situation und den finanziellen Zielen passt.
  •  Allgäuer Volksbank: Das Vermögen breit in verschiedene Anlageklassen streuen und an das persönliche Risikobewusstsein des Anlegers anpassen — dazu rät Bankchef Klaus Peter Wildburger. „Das ist für uns seit vielen Jahren der Schlüssel zum Erfolg bei der Geldanlage." Regelmäßiges Sparen sei ein wesentlicher Bestandteil für Vermögensaufbau und Altersvorsorge. Die Faustformel dabei: Je weiter entfernt das Sparziel, desto höher dürfte der chancenorientierte Anteil der Geldanlagen und Sparformen sein.
  • Sparda-Bank: Die Bank empfehle ihren Kundinnen und Kunden, sich in einem persönlichen Beratungsgespräch über alternative Anlagemöglichkeiten informieren zu lassen, sagt Sprecherin Cornelia Pilz. Ziel sei, dass das Ersparte durch die anhaltende Niedrig- und Negativzinsphase sowie durch die Inflation nicht stetig an Wert verliert.
  • Sparkasse Allgäu: Man sollte eine Notfallreserve von zwei bis drei Monatsgehältern „verwahrentgeltfrei" bei der Sparkasse parken und regelmäßig in Wertpapiere sparen — je nach Risikoneigung bis zu 100 Prozent in Aktien, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Heribert Schwarz. Nötig sei das Verständnis, Börsenschwankungen auszuhalten. Mit Blick auf einen späteren Immobilienwunsch sollten Sparer die staatlichen Förderungen ausnutzen und über Bausparen eine Sicherung des niedrigen Zinsniveaus planen. Schwarz: „Es gilt immer: Nicht alle Eier in einen Korb legen. "
  • Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu: „Wir raten unbedingt zu einem persönlichen Beratungsgespräch", sagt Generalbevollmächtigter Alfons Stöberl. Nur damit lasse sich eine Individualisierung der Anlagestrategie erreichen. Sie soll auf die Kundensituation ausgerichtet sein und auf den Erwartungen und Zielen des Kunden basieren.
  • Hypovereinsbank: „Derzeit beobachten wir bei Kunden eine starke Zunahme von Sparplänen mit Investmentfonds und ETFs, insbesondere bei breit aufgestellten Fonds und mit Nachhaltigkeitsaspekten", sagt ein Banksprecher. Durch das regelmäßige Sparen mit gleichbleibenden Beträgen profitierten Anleger auch von Schwankungen an den Börsen, indem sie dank des Durchschnittskosteneffekts bei niedrigeren Kursen mehr Anteile und bei hohen Kursen entsprechend weniger Anteile der Fonds kaufen.