Preise lassen viele Träume platzen

Makler und Banker erklären, wie sich Inflation und dreifacher Zinsaufwand auf dem Immobilienmarkt auswirken: "Mehr als die Hälfte der bisherigen Käufer kann sich eine Immobilienfinanzierung nicht mehr leisten."

Kempten/Oberallgäu Stürmische Zeiten auf dem Immobilienmarkt: Die Zinsen steigen und steigen, die Baukosten ebenso. Was hat das für Auswirkungen? Von einer 180-Grad-Wende spricht Stefan Horwath, Bereichsleiter Immo-Center der Sparkasse Allgäu. Die Nachfrage habe spürbar nachgelassen. Die Käufer seien gesucht. Horwath: "Die Immobilie ist als Traum und Altersvorsorge weiter sehr begehrt. Allerdings muss leider die Mehrzahl der Kunden erfahren, dass sich der Zinsaufwand mehr als verdreifacht hat. Das lässt sehr viele Träume platzen."

Das sehen andere Experten ähnlich. Käuferinteresse sei nach wie vor vorhanden, aber ein großer Teil der Interessenten scheide wegen der stark gestiegenen Zinsen aus, sagt etwa Klaus Peter Wildburger, Vorstand der Allgäuer Volksbank. Mehr als die Hälfte der bisherigen Käufer könne sich heute eine Immobilienfinanzierung nicht mehr leisten. "Die Nachfrage nach Immobilienkrediten ist stark zurückgegangen." Zugleich spüre man eine deutlich geringere Neigung von Investoren, Bauträgern und Planern, neue Projekte anzugehen.

"Die Kaufbereitschaft bei Haushalten mit mittleren bis niedrigen Einkommen ist stark gefallen", bestätigt Oliver Hold, Geschäftsführer der gleichnamigen Immobilienfirma. Haushalte mit gehobenem Einkommen und Eigenkapital seien nach wie vor kaufbereit. Man erkenne weiter großen Bedarf im Immobilienbereich, erklärt Heinrich Beerenwinkel, Vorstandssprecher der Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu. Aber die Rahmenbedingungen seien eben deutlich schwieriger geworden. In Finanzierungsgesprächen nähmen immer wieder Kunden Abstand von ihren Investitionsüberlegungen.

Und auf Investorenseite? Die Marktsituation ist laut Hold verzwickt: Laufende Projekte würden noch abgeschlossen, da sie meist eine relativ lange Vorlaufzeit hatten und die Konditionen dafür in der Vergangenheit vereinbart wurden. Geplante Projekte würden dagegen geschoben oder es werde versucht, sie erst zu errichten und spät in den Verkauf zu geben. Enorm gestiegene Preise machten eine Kalkulation extrem schwierig.

Auch Horwath sieht eine deutlich geringere Bereitschaft bei Investoren und Bauträgern, neue Projekte anzupacken. Vielfach werde gewartet, bis mehr Sicherheit bei Zinsentwicklung und Kalkulierbarkeit der Projekte besteht. "Viele rechnen auch mit leicht rückläufigen Materialkosten."

"Investoren müssen sich aufgrund der aktuellen Lage deutlich intensiver mit Vorhaben beschäftigen, als dies in den Vorjahren der Fall war", ergänzt Beerenwinkel. Zinsniveau und Baukosten engten Rendite und Spielraum deutlich ein. Vor dem Hintergrund der Energiekrise werde auch die Bedeutung von Renovierungen und Sanierungen weiter zunehmen.

Das erwarten Fachleute auf dem Immobilienmarkt

Diese Entwicklung sehen Fachleute:

  • Heinrich Beerenwinkel: "Preisniveau für Neubauten, aber auch Gebrauchtimmobilien ist weiter relativ hoch. Aktuell können wir eine gewisse Seitwärtsbewegung beobachten."
  • Stefan Horwath: " Ich rechne mit fallenden Immobilienpreisen. Allerdings ist nicht eine Immobilienblase die Ursache, sondern die zurückgehende Nachfrage. Grund: mangelnde Finanzierbarkeit. Bei den Mieten sehe ich keinen Rückgang. Im Gegenteil, ich rechne weiterhin mit leicht steigenden Mietpreisen - unabhängig von den steigenden Nebenkosten."
  • Oliver Hold: "Immobilien aus dem gehobenen Segment und in tollen Lagen sind preislich stabil und gefragt. Ebenso Immobilien mit energetisch hohem Standard. Tendenziell werden ihre Preise wegen der Inflation eher steigen. Sanierungsbedürftige Immobilien und Immobilien, die nicht marktgerecht vermietet sind oder einen hohen Energieverbrauch ausweisen, werden unter den gestiegenen Zinsen leiden."
  • Klaus Peter Wildburger: "Die Preise verharren auf hohem Niveau bzw. sind bereits rückläufig. Wir gehen von Rückgängen bis zu 20 Prozent in den nächsten ein bis zwei Jahren aus."