Kempten/Oberallgäu Seit Monaten steigen die Zinsen. Darlehen für Anschaffungen wie Möbel oder ein Auto werden ebenso teurer wie für Immobilien. Doch kleinere Verbraucherkredite sind schneller zurückgezahlt als Baufinanzierungen. Daher planen Häuslebauer und Wohnungskäufer oft mit langen Zinsbindungen, um sich vor bösen Überraschungen in späteren Jahren zu schützen. Doch wohin geht die Reise, womit müssen Kundinnen und Kunden rechnen? Wir fragten heimische Banker.
Null- und Minuszinsen sind jedenfalls Geschichte. Seit Monaten erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins schrittweise, zuletzt von 1,25 auf zwei Prozent. Das ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen können, das sie dann selber teurer weitergeben.
Auf die langen Zinsbindungen, zu denen Banken aktuell Baugeld verleihen, werde der jüngste Zinsschritt keine Auswirkungen haben, sagt Klaus Peter Wildburger, Vorstand der Allgäuer Volksbank. Der Markt habe in den aktuellen Konditionen bereits zwei weitere Leitzinserhöhungen "eingepreist". Das sieht Stefan Horwath, Bereichsleiter des Immo-Centers der Sparkasse Allgäu, ähnlich. Er erwartet für Dezember noch eine geringere Zinserhöhung und rechnet auf "Sicht" mit einem Einpendeln auf dem jetzigen Niveau. Schwankungen von 0,5 bis ein Prozent seien aber immer möglich.
Wer einige Jahrzehnte zurückblickt, stößt auf Zinssätze für Baudarlehen jenseits der zehn Prozent. Da sind aktuelle Sätze regelrechte Schnäppchen. Sollten sich Häuslebauer heutige Konditionen langfristig sichern? Grundsätzlich sei eine lange Zinsbindung sinnvoll, um über lange Zeit Kalkulationssicherheit zu haben, bestätigt Heinrich Beerenwinkel, Vorstand der Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu. Aber der Aufbau einer Finanzierung sei auf den Einzelfall und Kundenwünsche abzustimmen.
"Seit Jahrzehnten raten wir zur Aufteilung auf verschieden lange Zinsbindungen", konkretisiert das Horwath. Aktuell rät er im "Normalfall" zu einer Aufteilung der Finanzierung etwa auf zehn, 20 und 35 Jahre. Die 35-jährige Zinsbindung erfolgte über einen Bausparvertrag. Unterlegt mit 20 Prozent und mehr Eigenkapital biete ein gutes Finanzierungskonzept ein hohes Maß an Zinssicherheit. "Das lässt Kunden ruhig schlafen."
Auch Peter Thaler, Filialleiter der Hypovereinsbank Kempten, rät, bei neuen Finanzierungen das eher niedrige Zinsniveau möglichst lange zu sichern. Eine auf den ersten Blick günstigere Finanzierung auf zehn Jahre könnte sich nach Ablauf rächen, wenn jemand dann womöglich höhere Zinsen nicht stemme. "Lieber die Zinsen bis mindestens 20 Jahre sichern und die Immobilie vielleicht eine Nummer kleiner und günstiger wählen", sagt Thaler. Gerade in wirtschaftlich herausforderndem Umfeld gehe es um Planungssicherheit und nicht den kurzfristig niedrigeren Zins. Auch die Verlängerung laufender Finanzierungen sollten Kunden frühzeitig und rasch planen: Bausparverträge und Forward-Darlehen könnten eine gute Möglichkeit sein, weitere Zinssteigerungen abzufangen.
Die Mehrzahl der Kunden wähle die Dauer der Zinsbindung zur Planungssicherheit, sagt Wildburger. Eine langfristige Zinsprognose sei aber schwierig. Da sich die zehnjährigen Konditionen mit etwa vier Prozent im langjährigen Mittel befänden, entscheide sich die Mehrzahl der Kunden weiter genau dafür. 20-,30-jährige Bindungen seien aktuelle nicht so gefragt. Und was ist dran an Gerüchten, Banken seien bei der Vergabe mangels Nachfrage großzügiger? Der starke Zinsanstieg und die Kreditvergaberichtlinien ständen in keinem Zusammenhang und sollten es auch nicht, sagt Wildburger.