Allgäu - Gerät die Bauindustrie in die Krise? Der Bundesverband der Branche meldet einen deutlichen Umsatzrückgang - allein für dieses Jahr soll er bei fünf Prozent liegen. Zwar sei der Auftragsbestand bei Baufirmen und Handwerksbetrieben noch hoch. Aber die Inflation, höhere Zinsen sowie steigende Material- und Energiekosten machten die Lage zunehmend schwieriger. Dazu komme noch der Fachkräfte-Mangel. Auch Allgäuer Unternehmen haben Sorgen.
"Die Lage ist zwiespältig", sagt Robert Klauer, Obermeister der Bau-Innung Kaufbeuren und Geschäftsführer der Baufirma Rehwald. Einige Betriebe hätten noch Aufträge ins nächste Jahr hinein, andere aber nur für einige Wochen.
Gerade im Wohnungsbau spüre man eine besonders negative Tendenz. Der Auftragseingang sei in diesem Sektor allein im August um 24 Prozent eingebrochen, sagt Peter Hübner, Präsident der deutschen Bauindustrie. Angesichts des hohen Bedarfs an Wohnraum hält er das für "erschreckend".
Diese Entwicklung sei auch im Allgäu spürbar, sagt der Kaufbeurer Unternehmer Klauer. Gerade Häuslebauer hätten Aufträge storniert - unter anderem wegen der gestiegenen Zinsen und der daraus resultierenden schwierigeren Finanzierung. "Bisher konnte man sich auch mit wenig Eigenkapital ein Haus leisten - diese Zeiten sind vorbei", sagt Klauer. "Vom Wohnungsbauziel der Bundesregierung bleiben wir daher weit entfernt." Der Staat habe sich auf private Bauträger verlassen - "das klappt aber jetzt nicht mehr".
Heimische Banken sehen dies ganz ähnlich. "Die Immobilie ist als Traum der Altersvorsorge weiter sehr begehrt. Allerdings muss leider die Mehrzahl der Kunden erfahren, dass sich der Zinsaufwand mehr als verdreifacht hat - das lässt sehr viele Träume platzen", sagt Stefan Horwart von der Sparkasse Allgäu. Mehr als die Hälfte der bisherigen Käufer könne sich eine Immobilien-Finanzierung nicht mehr leisten, ergänzt Klaus Peter Wildburger. Der Vorstand der Allgäuer Volksbank beobachtet aktuell eine stark sinkende Nachfrage nach Immobilien-Krediten und eine geringere Neigung von Investoren, Bauträgern und Planern, neue Projekte anzugehen.
Auch die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Deutschland ist im August eingebrochen, teilte kürzlich das Statistische Bundesamt mit. Die Behörde spricht von einem Rückgang von fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Lediglich Haushalte mit "gehobenem Einkommen und Eigenkapital" seien nach wie vor an Immobilien interessiert, sagt Oliver Hold, Geschäftsführer der gleichnamigen Immobilienfirma in Kempten.
Die Lage in der Baubranche werde auch künftig eher schlechter als besser werden und die Konjunktur sich weiter abkühlen, glaubt Klauer. Mit einer Ausnahme, schränkt Herbert Pelzl ein: Sanierungen. Vor allem Projekte zum Reduzieren der Energiekosten seien nach wie vor ein Thema, berichtet der Obermeister der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik-Innung für Kaufbeuren und das Ostallgäu. Allerdings müssten sich die Leute das auch noch leisten können. "Einige Kunden werden wohl mit Investitionen warten, wenn sie nicht dringend nötig sind", sagt der Kaufbeurer Heizungsbauer.
In diesem Bereich gebe es noch genug Arbeit, sagt Pelzl. Wegen Personal- und Materialmangels könne man aber nicht alle Aufträge sofort abarbeiten: "Zum Beispiel bei Wärmepumpen gibt es eine Wartezeit von einem halben Jahr." Kämen bei Neubauten noch Verzögerungen durch andere Firmen hinzu, die notwendige Vorarbeiten leisten, müssten sich die Kunden teilweise monatelang in Geduld üben.
Eher düstere Aussichten sieht auch die schwäbische Industrie- und Handelskammer. Laut der Herbst-Konjunkturumfrage hat sich die wirtschaftliche Lage im Baugewerbe deutlich verschlechtert. Bewerteten im Frühjahr noch 47 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut, so seien es derzeit nur etwa ein Viertel der Betriebe. 59 Prozent der Baufirmen rechnen mit einer weiteren Verschlechterung ihrer Situation - niemand erwartet einen Aufwärtstrend. Dennoch warne er davor, jetzt "eine Krise herbeizureden", sagt Peter Leo Dobler, Geschäftsführer einer Baufirma und Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Kaufbeuren-Ostallgäu. Zwar seien kleinere Betriebe stärker betroffen als die größeren. Er rechne aber nicht damit, dass es in der Branche einen Stellenabbau gebe, sagt Dobler.