Kempten/Oberallgäu Immer höhere Kosten und Zinsen. Besteht auf dem Allgäuer Immobilienmarkt eine Preisblase? Das kann sich Heinz-Peter Hungbaur, Vize-Vorstandsmitglied der Landesbausparkasse LBS, nicht vorstellen. Zu groß ist die Nachfrage, zu groß die Bugwelle der seit Jahren zu wenigen Neubauten und zu groß das Bevölkerungswachstum. Laut Statistischem Landesamt werde die Einwohnerzahl bis 2040 auch durch Zuzug in Kempten und dem Oberallgäu um 4,6 bzw. 4,7 Prozent steigen, im Ostallgäu um acht, sagt er. Das werde auch das Interesse an Gebrauchtimmobilien beflügeln.
Vieles hat die Nachfrage angeheizt: der Wunsch, eigenes Kapital durch Immobilienbesitz zu schützen, die Pandemie, in der die meisten ihre Wohnung (und ihre Grenzen) genau kennenlernten, und der Trend zum Homeoffice. Aktuell hat allein die Sparkasse Allgäu 6.000 bis 7.000 Kunden vorgemerkt, die Wohneigentum suchen, sagt Stefan Horwath, Leiter des Immobilien-Centers. Die LBS hat ermittelt, dass drei Viertel der 25- bis 55-Jährigen das Eigenheim als beste Geldanlage sehen. 71 Prozent der Mieter und Mieterinnen würden lieber in Wohneigentum leben.
Laut Bausparkasse Schwäbisch Hall arbeiten Mieter in Deutschland bis zu dreieinhalb Monate im Jahr nur für ihre Mietzahlungen.
Begrenztes Angebot und hohe Nachfrage in einer sehr attraktiven Region werden den Immobilienmarkt auf hohem Level halten, erwartet Klaus Peter Wildburger, Vorstand der Allgäuer Volksbank. Doch die Situation sei komplex: Selbst Objekte, die jetzt als mittelpreisig gelten, seien durch den Zinsanstieg für etliche Interessenten unerschwinglich. Wie sich die Entwicklung weiter auswirkt, ist für Wildburger schwer abzuschätzen. Er geht von eher stagnierenden Preisen aus. Und da, wo der Markt etwas überhitzt sei, werde die Käuferschicht dünner.
Auch Heinrich Beerenwinkel, Vorstandssprecher der Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu, erwartet im regionalen Immobilienmarkt nach jahrelangen Preissteigerungen jetzt eher eine Seitwärtsbewegung. Die Baupreise seien zwar weiter auf dem Weg nach oben, doch durch das höhere Zinsniveau könnten manche einen Kauf derzeit nicht mehr schultern. "Ich glaube, hier ist irgendwann eine Obergrenze erreicht."
Fragt man Banker, was für die Finanzierung wichtig ist, ist immer die Rede von möglichst viel Eigenkapital. Fürs "Vorsparen" werben Bausparkassen. Auch wenn die staatliche Wohnungsbauprämie klein ist und nur bis zu gewissen Einkommensgrenzen gezahlt wird - fange man früh genug an zu sparen, zahle sich das aus, weil dann einiges zusammenkomme, sagt Hungbaur. Vorteil der Bausparverträge: So können sich Häuslebauer für spätere Jahre günstige Zinsen sichern.
Und das gewinnt an Bedeutung. Laut Hungbaur verkaufte die LBS heuer bis 30. Juni so viele Verträge wie 2021 gesamt. Raiba-Chef Beerenwinkel bestätigt den Trend: Man sei bei den Abschlüssen für Schwäbisch Hall sehr nah dran an der Zahl des gesamten Vorjahres. Dazu trägt bei, dass manche Kunden damit rechnen, dass Bausparkassen ihre Tarife wohl bald an die höheren Zinsen anpassen werden.
Auch wer bereits in Wohneigentum lebt, muss mit Ausgaben rechnen. In Kempten gibt es etwa 10.500 Wohngebäude; laut Sparkasse sind 8.300 über 30 Jahre alt. Über 27.000 entsprechend alte Gebäude stehen jeweils im Ober- und Ostallgäu. Sie müssten aus energetischen Gründen modernisiert werden, sagt Manfred Hegedüs, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Allgäu. Als ebenso wichtig gilt ein guter Versicherungsschutz gegen Brand und Schäden durch Naturereignisse. Hegedüs rät Wohneigentümern zu prüfen, ob ihre Brandversicherung im Schadensfall den heutigen Neuwert erstattet oder nur weniger.