Kempten/Oberallgäu Was bringt das Jahr 2023, wohin steuert die Region? Nach schwierigen Jahren hoffen wohl viele auf bessere Zeiten, fürchten aber das Gegenteil. Unsere Redaktion fragte Vorstandsmitglieder heimischer Banken nach ihren Prognosen fürs neue Jahr.
- Handel/Dienstleistungen: Heinrich Beerenwinkel (Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu) sieht den Handel durchs Internet weiter unter Druck. Allerdings sei es möglich, sich durch Qualität und Beratung teilweise abzukoppeln. Peter Rauh (Raiffeisenbank im Allgäuer Land) schätzt die Lage im Lebensmittel-Sektor positiv ein: In der Pandemie hätten sich viele angewöhnt zu kochen und legten Wert auf hochwertige Lebensmittel. In anderen Bereichen herrsche durch den Online-Handel großer Verdrängungswettbewerb. Klaus Peter Wildburger (Allgäuer Volksbank) erwartet im Dienstleistungssektor gute Umsätze. Der Einzelhandel müsse mit geringeren Wachstumsraten rechnen.
- Tourismus/Gastronomie: Für Tourismus und Gastronomie sieht Wildburger trotz gestiegener Preise postive Vorzeichen. Rauh stimmt zu: Auch wenn einige Familien sparen müssten, "Urlaub machen die Menschen trotzdem". Dem herausfordernden Alltagsgeschehen etwas zu entfliehen, sei für die Psyche des Menschen gerade in anspruchsvollen Zeiten sinnvoll. "Die Attraktivität unserer Region ist stetig größer geworden", blickt auch Beerenwinkel positiv voraus. Man müsse die vielen Möglichkeiten, die Regionalität und die kürzeren Wege ins Allgäu stärker in den Vordergrund rücken. Auch der CO2-Ausstoß für die Anreise spiele eine Rolle. Deutlich zu verbessern sei die Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel.
- Immobilien: "Die Immobilien-Preise werden fallen", erwartet Rauh mit Blick auf die zurückhaltende Nachfrage, höhere Zinsen und das Missverhältnis von Investitionssumme und erzieltbarer Miete. Auch im Neubau sollten die Kosten sinken, da es wieder rückläufige Materialpreise gebe. Wildburger rechnet damit, dass Immobilienpreise je nach Lage leicht sinken oder auf hohem Niveau stagnieren. Ähnlich sieht es Beerenwinkel. Es gebe hohes Interesse an Immobilien, der massive Zinsanstieg habe aber dazu geführt, dass im Privatbereich die Nachfrage im Jahr 2022 deutlich zurückgegangen sei. Auch die Energiekosten hätten für viele den Spielraum eingeschränkt.
- Zinsen/Geldentwertung: Wildburger erwartet weitere Leitzinserhöhungen, die sich auf die kurzfristigen Zinsen auswirken. Bei langfristigen Darlehen rechnet er mit einer moderaten Erhöhung. Auch Beerenwinkel geht davon aus, dass zur Bekämpfung der Inflation durch die Europäische Zentralbank weitere Zinsschritte folgen. Für Rauh zählt, ob die EZB gegen die Inflation entschlossen genug vorgeht. "Größtes Risiko für unsere Gesellschaft ist, dass die EZB zögerlich bleibt und die Gefahren einer dauerhaften Geldentwertung zu wenig intensiv bekämpft." Dieter Sentner (Volkbank Immenstadt) geht von einer Seitwärtsbewegung an den Kapitalmärkten aus: Bei der sich abschwächenden Wirtschaftsleistung werde die EZB die Zinsen nicht weiter anheben. Heribert Schwarz (Sparkasse Allgäu) sagt, die Inflation lasse keine Aussage zu, wann die Notenbanken den letzten Schritt auf Ihrer Zinstreppe nach oben gegangen sein werden.
- Arbeitsmarkt/Löhne: Sentner erwartet steigende Löhne, weil Arbeitskräfte aktuell ständig knapper würden. Abzuwarten bleibe, inwieweit eine Lohn-Preis-Spirale Druck auf die Inflationsrate ausübt. Rauh nennt den Personalmangel die größte Herausforderung für Unternehmen aller Branchen. Für Arbeitnehmer sei das allerdings vorteilhaft. Was die Gewerkschaften aus dem Ungleichgewicht machen, bleibe abzuwarten. Beerenwinkel nennt die angespannte Situation am Arbeitsmarkt eine zentrale Herausforderung für alle Branchen. Wenn Firmen wegen der personellen Situation Öffnungszeiten reduzieren oder sogar ihren Betrieb einstellten, sei das "sehr unerfreulich". Denn damit werde ein wichtiges regionales Leistungsangebot eingeschränkt oder verschwinde.
- (Bau-)Handwerk: Beerenwinkel verweist auf die gute Auslastung im Handwerk, wenn gleich erste Firmen freie Kapazitäten hätten. Kritik übt er an den wachsenden gesetzlichen und bürokratischen Hürden. Themen wie Energiewende alternative Systeme und energetische Sanierungen dürften weiter an Bedeutung gewinnen. Auch Rauh sieht im Bereich Sanierung/Renovierung ein "nachhaltig hervorragendes Auftragspotenzial". Er sagt, noch hätten ausgebuchte Handwerker Mühe, ihre Aufträge im Bau abzuarbeiten. Das könne sich übers Jahr entspannen, da viele Bauvorhaben storniert oder zurückgestellt worden seien. Wildburger erwartet im Sektor Bauwirtschaft/Handwerk rückläufige Preise, aber eine weiter ordentliche Auftragslage.
- Landwirtschaft: Rauh betont, der vor allem in der konventionellen Landwirtschaft merklich gestiegene Milchpreis verbessere das Einkommen der Bauern. Er schätzt, dass sich der Milchpreis auf erhöhtem Niveau stabilisiert. Doch auch die Kosten wie für Dünger und Strom blieben höher.